Berufsbild

Gebärdensprachdolmetscher:innen übersetzen Äußerungen aus der gesprochenen Sprache in Gebärdensprache und umgekehrt. Sie vermitteln dabei nicht nur sprachliche Äußerungen, sondern berücksichtigen auch Tonfall, Mimik, Gestik und mehr, um die Mitteilungsabsicht des:der Sprecher:in vollständig zu übermitteln.

Durch den Einsatz von Gebärdensprachdolmetscher:innen wird gebärdensprachnutzenden Menschen (Gehörlosen, Schwerhörigen, Ertaubten) in zahlreichen Lebensbereichen Barrierefreiheit und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. 

Der Dolmetschprozess lässt sich grob durch drei zeitgleich ablaufende Schritte beschreiben:
 
  • Aufnahme der ausgangssprachlichen Mitteilung (Hören/Analysieren)
  • Verarbeitung (Kurzzeit-Gedächtnis)
  • Wiedergabe der Mitteilung in der Zielsprache (Produktion)

 

Eine Gruppe von bunten Figuren, die durch Linien verbunden sind.

Der Dolmetschprozess wurde von Daniel Gile im sogenannten „Modèle d’Effort“, auch als „Effort-Modell“ bekannt, detailliert beschrieben. Der Begriff „Effort“ lässt sich ins Deutsche als „Mühe“, „Bemühung“ oder „Beanspruchung“ übersetzen, was die Anstrengungen und Ressourcen verdeutlicht, die bei der Ausführung dieses anspruchsvollen Vorgangs erforderlich sind.

Gile’s Modell unterstreicht die immense kognitive Leistung, die Dolmetscher*innen erbringen müssen, um simultan Informationen in Echtzeit zu verarbeiten, zu verstehen und korrekt zu übertragen. Es geht dabei nicht nur um sprachliche Fähigkeiten, sondern auch um die Koordination zahlreicher mentaler Prozesse, die zu einer konstanten kognitiven Beanspruchung führen.

In Deutschland sind Gebärdensprachdolmetscher:innen im Regelfall für das Dolmetschen von Deutscher Laut- und Gebärdensprache ausgebildet. Durch weitere Qualifikationen und Weiterbildungen kann das Dolmetschen weiterer Laut- und/oder Gebärdensprachen, Sprachformen (bspw. LBG, International Sign) oder das Dolmetschen für taubblinde Menschen (bspw. Lormen, Taktiles Gebärden) angeboten werden. Grundsätzlich wird zwischen zwei Dolmetschtechniken unterschieden:

Simultandolmetschen

Die ausgangssprachliche Mitteilung wird von dem:der Dolmetscher:in sofort in die Zielsprache übertragen. Da bei dem oben beschriebenen dreischrittigen Prozess eine geringe Zeitverzögerung (time lag) entsteht, bleibt ein kurzer zeitlicher Abstand zwischen Originalaussage und gedolmetschter Aussage. Dennoch wird es dem:der Zuhörer:in bzw. Zuschauer:in ermöglicht, die Mitteilung nahezu simultan aufzunehmen. Diese Technik wird bei der überwiegenden Zahl der Dolmetscheinsätze angewandt.

Konsekutivdolmetschen

Die ausgangssprachliche Mitteilung wird von dem:der Dolmetscher:in erst nach Beendigung einzelner Sätze, Sinnabschnitte oder der gesamten Mitteilung in die Zielsprache übertragen. Diese Art des Dolmetschens verlangt eine besondere Gedächtnisleistung und kann durch eine spezielle Notizentechnik erleichtert werden, bei der Merkzeichen für wichtige Sinnträger als Gedächtnisstütze für den späteren mündlichen Vortrag festgehalten werden.

Eine weitere Form des Dolmetschens ist das sogenannte “Vom-Blatt-Dolmetschen/Übersetzen”. Hierbei ist der Ausgangstext in schriftlicher Form und wird dann in die Zielsprache, typischerweise Deutsche Gebärdensprache, übersetzt. Dies kommt beispielsweise bei Aufklärungsbögen im medizinischen Bereich (z. B. Aufklärung vor Operationen, Anamnese), aber auch bei Anträgen, Verträgen oder sonstigen amtlichen Schriftstücken zum Einsatz.

Neben dem klassischen Dolmetscheinsatz, bei dem alle Gesprächsteilnehmer:innen physisch anwesend sind, gibt es noch die Formen Fern- und Telefondolmetschen. Beim Ferndolmetschen wird der:die Dolmetscher.in mittels technischer Hilfe zugeschaltet. Die übrigen Gesprächsteilnehmer:innen können dabei entweder alle gemeinsam physisch an einem Ort sein oder ebenfalls online zugeschaltet. Es besteht auch die Möglichkeit, dass einzelne Gesprächsteilnehmer:innen und der:die Dolmetscher:in gemeinsam an einem Ort sind und andere Gesprächsteilnehmer:innen zugeschaltet werden.

Das Telefondolmetschen (auch Videodolmetschen) zeichnet aus, dass alle Gesprächsteilnehmer:innen wie auch der:die Dolmetscher:in an anderen Orten sind.  Dabei sind dolmetschende und hörende Person über Telefon miteinander verbunden und dolmetschende und gehörlose/taube Person über Videochat (visuell). Beide Formen ermöglichen eine ortsunabhängige Kommunikation, welche jedoch für Dolmetschende als auch alle anderen Gesprächsteilnehmer:innen mit zusätzlichen Herausforderungen verbunden sein kann (z. B. stabile Internet- und Telefonverbindung, Störungen im Netz etc.).

Eine Frau mit Brille und einem Headset spricht vor einem Laptop.